Sonntag, 16. August 2009

Sozialismus, Kapitalismus, verlassene Grenzen und unsere erste Nachtfahrt

Viel ist passiert seit unserer (zweiten) Abfahrt aus Prag. Viel ist passiert, viel haben wir gesehen, wovon man nur einen Bruchteil wiedergeben kann. Die Muskeln gewoehnen sich langsam an die Belastung und man fuehlt sich ausserordentlich gesund mit so viel Zeit an der frischen Luft und tagtaeglicher Bewegung. Und auch nicht unwichtig, die Fahrraeder haben diese Mal bis auf kleinere Pannen gehalten!Ab und an kehrt doch irgendwie Routine ein beim taeglichen Zeltabbau, Aufbruch, Kilometer fahren und Zeltaufbau, Essen usw...
Ca. 50 km hinter Prag stiessen wir zufaellig auf den Radweg "Green Ways Praha - Vienna". Dieser Weg leitet einen ueber Nebenstrassen und Waldwege, durch Doerfer und vorbei an lokalen Sehenswuerdigkeiten. Man kommt zwar nicht auf den schnellsten Weg am Ziel an, sieht aber dafuer ausserordentlich schoene Wege und Landschaften. Der Weg war ein absoluter Gluecksfall und bisher der schoenste Radweg, den wir gefunden haben. Man trifft im Gegensatz zum Donauradweg nur relativ wenig Radreisende. Die bisher einzigen, mit denen wir uns unterhielten, waren 4 Franzosen. Vollgepackt ohne Ende war klar, dass sie einen laengeren Weg haben wuerden. Dass er auch ueber Istanbul fuehrt, hatten wir aber trotzdem nicht erwartet...
Zwei Tage nach Prag erreichten wir nach einer horrend langen Etappe voellig erschoepft einen im Wald versteckten Campingplatz. Schlicht gehalten mit Wellblechhuetten sowie abendlichen Alleinunterhaltung mit Keyboard und tschechischen Klassikern. Irgendwie nett und mit Ostcharme. Unsere naechste Etappe endete nach einigen Bergen wiederum auf einem Campingplatz. Dieses Mal der kapitalistische Gegenentwurf. Volles Partyprogramm mit riesiger Konzertbuehne, VIP-Zelt und Feuerwerk ueber den See. An einem Tag vom Sozialismus zum Kapitalismus. Wer hat das schon geschafft?
Ausgeschlafen fuhren wir am naechsten Tag weiter, mit dem bescheidenen Ziel in Oesterreich anzukommen. Die Grenze war die vielleicht schoenste der bisherigen Reise. Ein verlassener Sandweg, wo man nach einer Weile auf ein Schild mit der Aufschrift "Europaplatz" stoesst. Der Sandweg fuehrt danach als recht praechtige Birkenallee weiter. Damit auch jeder weiss, dass er in Oesterreich angekommen ist... Wir schliefen im Garten eines alten Zollhauses, das als Hotel umfunktioniert wurde. Um ein Bier und Wein mit den einheimischen Gaesten kamen wir nicht rum, was sich aber als sehr unterhaltsam herausstellte...
Die folgende Etappe ging im Express bis nach Wien, wo wir einem Abend auf einem Campingplatz und den anderen bei einem Couchsurfer schliefen. Der Wiener an sich stellte sich als sehr kommunikativ, hilfsbereit und freundlich heraus. Nach einer schnellen, aber eher langweiligen Etappe auf dem Donauradweg und einer Nacht im schmucken, aber von Touristen ueberlaufenen Bratislava fuehrte unsere Route weiter durch Ungarn in Richtung Zagreb.
Nach ca. 60 eher schleppenden Kilometern auf Landstrassen und dem Donauradweg machten wir halt in Mosónmagyovar. Wir schlugen uns die Baeuche voll und entschieden uns spontan, motiviert von der kurzen Entfernung, direkt durch die Nacht nach Budapest zu fahren! Auf dieser hatten wir einige interessante Begegnungen mit lokalen Ungarn...
Erste Begegnung in Györ, waehrend wir wieder einmal planlos an einer Ecke standen. Ein Mann, der eher nach Bettler aussah, sich dann aber als ortskundiger Touristenfuehrer herausstellte. Er erklaerte uns den Weg nach Budapest und gab uns eine Touristenkarte mit auf den Weg. Ohne ihn haette unsere ambitionierte Nachtfahrt unter Umstaenden ein fruehes Ende gefunden. Zweite Begegnung kurze Zeit spaeter an der Ortsausfahrt von Györ, als wir wieder einmal relativ planlos hin und her fuhren. Eine aeltere Frau, die auf uns beim Zigarettenkauf aufmerksam wurde, uns buchstaeblich an der Hand nahm und abermals den Weg nach Budapest erklaerte. Beide sprachen sehr gut Deutsch und waren kaum ueberrascht ueber unser Vorhaben, durch die Nacht zu fahren. Naechste Begegnung vor einem Strassenschild mit der Kilometeranzahl nach Budapest. Ein besoffener Mann, der von uns beim Versuch, ein Foto zu schiessen, aufgehalten wurde. Aus der einfachen Frage entwickelt sich eine unterhaltsame Unterhaltung ueber Sprachbarrieren und Verstaendigungsschwierigkeiten hinweg. Er schien uns gerne zu moegen, Pascal ganz besonders...
Weiter ging es in Richtung Budapest auf dem Radweg, der schon bald sein Ende nahm und uns auf einer Strasse ausliess, wo Fahrradfahrer offiziell verboten sind. Wir fuhren etliche Male hin und her und suchten den Weg dann im Wald. Nach kurzer Zeit und riesigen Schlagloechern stiessen auf vereinzelte Lichter. 3 Angler an der Donau! Als sie uns sahen und von unserer Idee hoerten, kamen sie aus dem Lachen nicht mehr heraus, ladeten uns auf einen "Colorado Cocktail" (Balatonwein mit Soda) ein und versuchten uns auf unserer Route weiterzuhelfen. Wieder einmal eine schoene und lustige Begegnung ohne eine gemeinsame Sprache zu finden.
Angeheitert und aufgewaermt fuhren wir weiter. Die Nacht war mittlerweile tief fortgeschritten. Wie in Trance mit Akkus und Kopfleuchten heizten wir ueber die Landstrasse. Leider war der Weg nach Budapest doch zu lang fuer eine Etappe, weswegen wir ein paar Stunden in Komárom auf einem Campingplatz schliefen und am naechsten Morgen im aufkommenden Regen weiterfuhren.
Mit grosser Freude kamen wir in Budapest an, schlugen uns wieder einmal die Baeuche voll und erholten uns in der Wohnung von Bence (aus dem Chamaeleon). Budapest ist der Hammer! Der Umweg hat sich jetzt schon gelohnt, wir haben die Stadt aufgesaugt und ein bisschen das Nachtleben ausprobiert. Der zweite Abend fuehrte uns in grosser Euphorie zum Sziget, wo wir gerade noch rechtzeitig zum Konzert von Babylon Circus ankamen...
Heute erholen wir uns von den letzten Etappen und naechtlichen Touren. Morgen geht dann der "Alltag" wieder los. Die Route wird uns wahrscheinlich am Balaton vorbei in Richtung Zagreb fuehren...

3 Kommentare:

  1. Meule! Deine Karte ist angekommen! - Danke und weiter gute Fahrt, ihr Narren!

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  2. Hi zusammen,
    toller Bericht....
    beneide euch um eure super Erlebnisse...
    eure Bilder werden besser, endlich kann man euch besser erkennen :-)))
    würde gerne auch etwas sehen von dem was ihr so seht.
    Weiterhin viel Spaß!!!!!!!!!

    Grüße vom "alten" Mann aus Ka

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  3. ihr schweine!!! seid nicht wirklich genau zu babylon circus angekommen...props!!!!

    weiter, immer weiter, meine freunde!!!!!

    ps. meule, deine karte is angekommen, hat flipsn aber verpasst...

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